Mit der Veröffentlichung des „Ausländerbehördenquartetts“ hat die Berliner Kanzlei VISAGUARD eine ungewöhnliche Debatte ausgelöst. Ein Kartenspiel, das satirisch die Arbeit deutscher Ausländerbehörden porträtiert, ist zunächst ein kreativer Einfall. Doch hinter dem Humor steckt eine grundsätzliche Frage, die weit über die Gestaltung eines Spieles hinausgeht: Gehört sich so etwas eigentlich für eine Kanzlei? Oder berührt das Produkt rechtliche Grenzen, die Juristinnen und Juristen zwingend beachten müssen?
§ 43b BRAO und das Verbot unsachlicher Werbung
Juristische Dienstleister gelten traditionell als eher nüchterne Institutionen. Sie müssen Vertrauen schaffen, Seriosität ausstrahlen und Rechtsrat auf hohem Niveau bieten. In diesem Kontext wirkt ein satirisches Kartenspiel, das humorvoll überzeichnete Bewertungen zu Erreichbarkeit, Bearbeitungszeit oder Wohlwollen einzelner Ausländerbehörden zeigt, auf manche Beobachter irritierend. Andere wiederum halten gerade diese Form der kreativen Auseinandersetzung für zeitgemäß. Dass sich beide Sichtweisen gegenüberstehen, ist kaum verwunderlich: Das Produkt bewegt sich bewusst in einer Zone, in der berufliche Außendarstellung, politische Satire und persönliche Erfahrung ineinandergreifen.
Besonders deutlich wird das Spannungsfeld beim Blick auf das anwaltliche Berufsrecht. § 43b BRAO erlaubt Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten Werbung, verlangt aber Sachlichkeit. Eine Information über die eigene Tätigkeit muss also im Kern wahr, objektiv und nicht irreführend sein. Ein Kartenspiel, das bewusst mit Ironie, Übertreibung und humoristischer Zuspitzung arbeitet, erfüllt diese Kriterien naturgemäß nicht bzw. ist sogar gegenläufig zum Sachlichkeitsgebot.
Die Rechtsprechung hat in den vergangenen Jahren die Grenzen anwaltlicher Werbung immer weiter geöffnet. Auch unterhaltsame oder originelle Formate werden nicht von vornherein als unsachlich eingestuft. Maßgeblich ist das Gesamtbild: Wirkt die Werbung reißerisch, unangemessen oder verzerrt? Oder dient sie erkennbar einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung und bleibt dabei beruflich verantwortbar? Das Ausländerbehördenquartett dürfte in beiden Richtungen argumentierbar sein. Es ist einerseits humorvoll überzeichnet, andererseits eng an die tatsächliche Berufserfahrung der Entwicklerinnen und Entwickler angelehnt.
Persönlichkeits- und Ehrrecht: Dürfen Behörden verspottet werden?
Ein weiterer Prüfungspunkt betrifft das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Behörden sind keine Personen und damit im Kern auch nicht „ehrfähig“. Dennoch stellt sich die Frage, ob die Darstellungen im Quartett als unzulässige Herabwürdigung staatlicher Institutionen verstanden werden könnten. Die Karikaturen überzeichnen bewusst, aber sie greifen keine einzelnen Mitarbeiter oder identifizierbaren Personen an. Das spricht deutlich dafür, dass das Spiel vom Schutzbereich der Satire erfasst ist. Satire darf übertreiben, verfremden und zuspitzen.
Sie ist ein anerkanntes künstlerisches Ausdrucksmittel und spielt insbesondere im politischen Diskurs eine zentrale Rolle. Gleichwohl bleibt Raum für kritische Einwände: Wenn eine Kanzlei, die tagtäglich mit denselben Behörden interagiert, diese Institutionen zugleich in einem kommerziellen Produkt karikiert, könnte der Eindruck entstehen, sie nehme ihre eigene Rolle im rechtsstaatlichen Gefüge nicht ausreichend ernst. Dieser Vorwurf ist nicht zwingend juristischer Natur, sondern betrifft vor allem die berufliche Wirkung nach außen. So muss sich eine Anwaltskanzlei, die mit einem “Ausländerbehördenquartett” Werbung macht, definitiv vorhalten lassen, dass sie unprofessionell agiert.
Ist der Verkauf eines Kartenspiels durch eine Anwaltskanzlei ein Gewerbe?
Ebenfalls spannend am Fall “Ausländerbehördenquartett” ist die gewerberechtliche Dimension. Anwältinnen und Anwälte sind Angehörige der freien Berufe. Sie dürfen grundsätzlich keine Gewerbe ausüben, zumindest nicht in einem Umfang, der die anwaltliche Unabhängigkeit beeinträchtigen könnte. Doch ist der Vertrieb eines satirischen Quartetts überhaupt ein Gewerbe? Die Antwort hängt wesentlich davon ab, ob das Produkt noch als berufsspezifische Tätigkeit angesehen werden kann.
Die Macher argumentieren, das Quartett sei ein Ergebnis ihrer täglichen Arbeit, eine kreative Auseinandersetzung mit dem Migrationsrecht. Dagegen könnte man einwenden, dass der Verkauf physischer Produkte typischerweise ein gewerblicher Vorgang ist, unabhängig vom Inhalt. Ob eine Gewerbeanmeldung erforderlich gewesen wäre, ist daher keine triviale Frage. Sie berührt den Kern des anwaltlichen Berufsbildes und zeigt, wie schwierig die Abgrenzung zwischen beruflicher Tätigkeit und wirtschaftlichem Nebenprojekt im Einzelfall sein kann. Besonders spannend ist diese Frage auch im steuerrechtlichen Kontext. Eine Auseinandersetzung mit der steuerrechtlichen Dimension des Ausländerbehördenquartetts würde an dieser Stelle jedoch zu weit gehen.
Ausländerbehördenquartett und Wappenrecht: Verbotene Nutzung von Wappen?
Auch wappenrechtlich bewegt sich das Spiel in einer (dunkel)grauen Zone. Einige Karten verwenden grafische Anspielungen auf bekannte Hoheitszeichen, etwa auf Varianten des Berliner Bären. Das Wappenrecht schützt amtliche Hoheitszeichen vor Missbrauch und vor Verwechslungen, die den Eindruck staatlicher Legitimation erwecken könnten (siehe etwa § 90a StGB). Allerdings handelt es sich im Quartett nicht um exakte Abbildungen, sondern um deutliche künstlerische Verfremdungen.
Das spricht für die Zulässigkeit der Gestaltung, zumal satirische Kunst grundsätzlich einen weiten Spielraum genießt. Dennoch bleibt die Frage offen, wie weit eine künstlerische Bearbeitung gehen darf, bevor sie in eine unzulässige Nutzung amtlicher Hoheitszeichen umschlägt. Die Behörden selbst könnten durchaus der Auffassung sein, dass schon eine erkennbare Anlehnung problematisch sei.
Fazit zur rechtlichen Zulässigkeit des Ausländerbehördenquartetts
Am Ende zeigt das Ausländerbehördenquartett vor allem eines: Es ist ein kreatives Projekt, das bewusst Grenzen berührt. Es verbindet anwaltliche Erfahrungen, politische Beobachtung, Humor und Kritik in einer Weise, die ungewöhnlich, mutig und zugleich juristisch herausfordernd ist. Die Frage, ob eine Kanzlei so etwas „darf“, lässt sich daher nicht eindeutig beantworten. Vieles spricht dafür, dass das Spiel rechtlich zulässig ist, auch wenn einzelne Aspekte diskussionswürdig bleiben. Gleichzeitig verdeutlicht die Debatte, wie eng berufliche Außendarstellung und rechtlicher Rahmen miteinander verflochten sind.
Denn selbst Humor kann schnell ein Fall für Expertinnen und Experten werden – und für eine gesellschaftliche Diskussion darüber, wie weit anwaltliche Kreativität reichen darf. Wir sind uns allerdings sicher in unserem Urteil: Ein satirisches Quartett ist unprofessionell für eine Anwaltskanzlei, selbst wenn kein striktes rechtliches Verbot bestehen sollte. Das Sachlichkeitsgebot des § 43b BRAO hat seine Daseinsberechtigung und diese wird immer wieder von der Rechtsprechung hervorgehoben. Dem schließen wir uns an – Rechtsdienstleister müssen ein Mindestmaß an Seriösität wahren. Diese Voraussetzung erfüllt das Ausländerbehördenquartett nicht.
Wer sich selbst ein Bild vom Ausländerbehördenquartett machen will, sei auf den entsprechenden Release-Blogpost von VISAGUARD.Berlin verwiesen.


