Das Strafrecht bildet einen zentralen Pfeiler der deutschen Rechtsordnung und regelt, welche menschlichen Handlungen als strafbar gelten und welche Konsequenzen daraus folgen. Es schützt grundlegende Rechtsgüter wie Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum und trägt maßgeblich zur Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens bei. In diesem Artikel erfahren Sie, wie das Strafrecht aufgebaut ist, welche Prinzipien es prägen und wie strafrechtliche Verfahren ablaufen.

Die Elemente einer Straftat

Im deutschen Strafrecht wird eine Straftat anhand eines dreistufigen Prüfungsschemas beurteilt. Nur wenn alle drei Elemente vorliegen, kann eine Strafbarkeit bejaht werden.

Bleistiftskizze der drei Elemente einer Straftat im Strafrecht

Die drei Stufen der strafrechtlichen Prüfung

Tatbestandsmäßigkeit

Der Tatbestand beschreibt die Voraussetzungen, unter denen eine Handlung strafbar ist. Er besteht aus objektiven und subjektiven Elementen:

Objektiver Tatbestand

  • Täter (wer?)
  • Tathandlung (was?)
  • Tatobjekt (woran?)
  • Taterfolg (welche Folge?)
  • Kausalität und objektive Zurechnung

Subjektiver Tatbestand

  • Vorsatz (dolus directus, indirectus, eventualis)
  • Fahrlässigkeit (bei Fahrlässigkeitsdelikten)
  • Besondere subjektive Merkmale (z.B. Absichten)

Rechtswidrigkeit

Die Rechtswidrigkeit wird bei Erfüllung des Tatbestands indiziert, kann aber durch Rechtfertigungsgründe entfallen. Die wichtigsten Rechtfertigungsgründe sind:

  • Notwehr (§ 32 StGB): Verteidigung gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff
  • Rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB): Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für ein Rechtsgut
  • Einwilligung: Zustimmung des Rechtsgutsinhabers zur Rechtsgutsverletzung
  • Mutmaßliche Einwilligung: Annahme einer Zustimmung bei Unmöglichkeit der Einholung
  • Schuld

    Die Schuld betrifft die persönliche Vorwerfbarkeit der Tat. Sie kann ausgeschlossen sein durch:

  • Schuldunfähigkeit (§§ 19, 20 StGB): Kinder unter 14 Jahren oder Personen mit schweren psychischen Störungen
  • Entschuldigender Notstand (§ 35 StGB): Handeln zur Rettung von Leib, Leben oder Freiheit
  • Unvermeidbarer Verbotsirrtum (§ 17 StGB): Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Tat
  • Strafarten und Rechtsfolgen

    Das deutsche Strafrecht kennt verschiedene Arten von Strafen und Maßnahmen, die je nach Schwere der Tat und Persönlichkeit des Täters verhängt werden können.

    Bleistiftskizze der Strafarten im deutschen Strafrecht

    Die Hauptstrafarten im deutschen Strafrecht

    Hauptstrafen

    Die Hauptstrafen bilden den Kern des strafrechtlichen Sanktionssystems:

    Freiheitsstrafe (§§ 38-39 StGB)

    Die Freiheitsstrafe besteht in der Einschränkung der persönlichen Freiheit durch Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt. Sie kann zeitig (1 Monat bis 15 Jahre) oder lebenslang sein. Bei Freiheitsstrafen unter zwei Jahren kann die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 56 StGB).

    Geldstrafe (§§ 40-43 StGB)

    Die Geldstrafe wird nach dem Tagessatzsystem verhängt. Die Anzahl der Tagessätze (5-360) richtet sich nach der Schwere der Schuld, die Höhe des einzelnen Tagessatzes (1-30.000 €) nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters. Bei Uneinbringlichkeit tritt Ersatzfreiheitsstrafe ein.

    Nebenstrafen und Nebenfolgen

    Neben den Hauptstrafen können weitere Sanktionen verhängt werden:

  • Fahrverbot (§ 44 StGB): Verbot, Kraftfahrzeuge zu führen (1-3 Monate)
  • Verlust der Amtsfähigkeit (§ 45 StGB): Verlust des Rechts, öffentliche Ämter zu bekleiden
  • Einziehung (§§ 73 ff. StGB): Entziehung von Taterträgen oder Tatwerkzeugen
  • Maßregeln der Besserung und Sicherung

    Unabhängig von der Schuld können Maßregeln angeordnet werden, die dem Schutz der Allgemeinheit dienen:

  • Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB)
  • Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB)
  • Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB)
  • Führungsaufsicht (§ 68 StGB)
  • Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB)
  • Berufsverbot (§ 70 StGB)
  • „Die Strafe soll nicht nur vergangenes Unrecht sühnen, sondern auch künftiges verhüten. Sie hat die Aufgabe, die Rechtsordnung gegenüber dem Rechtsbrecher durchzusetzen und die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen.“

    Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 45, 187

    Prüfungswissen Strafrecht

    Bereiten Sie sich optimal auf Ihre Prüfungen vor mit unseren strukturierten Lernmaterialien zum Strafrecht.

    Jetzt anmelden

    Besonderheiten des Jugendstrafrechts

    Für jugendliche (14-17 Jahre) und heranwachsende (18-20 Jahre) Täter gelten besondere Regelungen, die im Jugendgerichtsgesetz (JGG) festgelegt sind.

    Bleistiftskizze der Besonderheiten des Jugendstrafrechts

    Der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht

    Erziehungsgedanke

    Das Jugendstrafrecht ist vom Erziehungsgedanken geprägt. Ziel ist nicht primär die Bestrafung, sondern die Erziehung des jungen Menschen zu einem rechtstreuen Leben.

    Rechtsfolgen nach dem JGG

    Das JGG kennt drei Arten von Rechtsfolgen:

    Erziehungsmaßregeln

    • Weisungen
    • Erziehungsbeistandschaft
    • Heimerziehung

    Zuchtmittel

    • Verwarnung
    • Auflagen
    • Jugendarrest

    Jugendstrafe

    • 6 Monate bis 5 Jahre
    • Bei schweren Verbrechen bis 10 Jahre
    • Möglichkeit der Aussetzung zur Bewährung

    Strafverfahrensrecht

    Das Strafverfahrensrecht regelt, wie die Durchsetzung des materiellen Strafrechts erfolgt. Es ist hauptsächlich in der Strafprozessordnung (StPO) geregelt.

    Bleistiftskizze der Phasen des Strafverfahrens

    Die Hauptphasen des Strafverfahrens

    Ablauf des Strafverfahrens

    Ein Strafverfahren durchläuft typischerweise folgende Phasen:

  • Ermittlungsverfahren: Die Staatsanwaltschaft ermittelt den Sachverhalt, sammelt Beweise und entscheidet über Anklageerhebung oder Einstellung.
  • Zwischenverfahren: Das Gericht prüft, ob ein hinreichender Tatverdacht besteht und entscheidet über die Eröffnung des Hauptverfahrens.
  • Hauptverhandlung: In öffentlicher Verhandlung werden die Beweise erhoben und gewürdigt.
  • Urteil: Das Gericht entscheidet über Schuld oder Unschuld und ggf. über die Rechtsfolgen.
  • Rechtsmittelverfahren: Gegen das Urteil können unter bestimmten Voraussetzungen Rechtsmittel (Berufung, Revision) eingelegt werden.
  • Vollstreckungsverfahren: Die rechtskräftig verhängten Strafen werden vollstreckt.
  • Prozessmaximen

    Das Strafverfahren wird von wichtigen Grundsätzen geprägt:

    • Offizialprinzip: Strafverfolgung ist Aufgabe des Staates
    • Legalitätsprinzip: Pflicht zur Strafverfolgung bei Verdacht
    • Akkusationsprinzip: Trennung von Anklage und Urteil
    • Unmittelbarkeitsprinzip: Beweiserhebung in der Hauptverhandlung
    • Mündlichkeitsprinzip: Mündliche Verhandlung
    • Öffentlichkeitsprinzip: Öffentliche Hauptverhandlung
    • Unschuldsvermutung: Bis zur rechtskräftigen Verurteilung gilt der Beschuldigte als unschuldig
    • Grundsatz des fairen Verfahrens: Recht auf rechtliches Gehör und Verteidigung

    Besonderer Teil des Strafrechts

    Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs (§§ 80-358 StGB) enthält die einzelnen Straftatbestände, gegliedert nach den geschützten Rechtsgütern.

    Bleistiftskizze der wichtigsten Deliktsgruppen im Strafrecht

    Die wichtigsten Deliktsgruppen im StGB

    Wichtige Deliktsgruppen

    Die Straftatbestände lassen sich in verschiedene Gruppen einteilen:

    DeliktsgruppeGeschützte RechtsgüterBeispiele
    Straftaten gegen das LebenMenschliches LebenMord (§ 211), Totschlag (§ 212)
    Straftaten gegen die körperliche UnversehrtheitKörperliche IntegritätKörperverletzung (§ 223), gefährliche Körperverletzung (§ 224)
    Straftaten gegen die sexuelle SelbstbestimmungSexuelle AutonomieSexueller Übergriff (§ 177), sexueller Missbrauch von Kindern (§ 176)
    EigentumsdelikteEigentum, BesitzDiebstahl (§ 242), Raub (§ 249)
    VermögensdelikteVermögenBetrug (§ 263), Untreue (§ 266)
    Straftaten gegen die persönliche FreiheitFreiheit, SelbstbestimmungNötigung (§ 240), Freiheitsberaubung (§ 239)

    Nebenstrafrecht

    Neben dem StGB enthalten zahlreiche andere Gesetze Strafvorschriften, das sogenannte Nebenstrafrecht:

  • Betäubungsmittelgesetz (BtMG): Strafvorschriften zu Drogendelikten
  • Waffengesetz (WaffG): Strafvorschriften zum unerlaubten Waffenbesitz
  • Straßenverkehrsgesetz (StVG): Strafvorschriften zu Verkehrsdelikten
  • Abgabenordnung (AO): Strafvorschriften zu Steuerdelikten
  • Internationales Strafrecht

    Das internationale Strafrecht regelt die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf Auslandstaten sowie die Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen.

    Bleistiftskizze der Prinzipien des internationalen Strafrechts

    Die Grundprinzipien des internationalen Strafrechts

    Strafanwendungsrecht

    Das deutsche Strafrecht gilt nach folgenden Prinzipien:

  • Territorialitätsprinzip (§ 3 StGB): Anwendung auf alle im Inland begangenen Taten
  • Flaggenprinzip (§ 4 StGB): Anwendung auf Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen
  • Schutzprinzip (§ 5 StGB): Anwendung auf bestimmte Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter
  • Weltrechtsprinzip (§ 6 StGB): Anwendung auf bestimmte international geächtete Taten unabhängig vom Tatort
  • Personalitätsprinzip (§ 7 StGB): Anwendung auf Taten von Deutschen im Ausland oder gegen Deutsche
  • Völkerstrafrecht

    Das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) setzt das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs um und ermöglicht die Verfolgung von:

  • Völkermord (§ 6 VStGB)
  • Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB)
  • Kriegsverbrechen (§§ 8-12 VStGB)
  • Straftheorien

    Straftheorien erklären den Sinn und Zweck staatlicher Strafe und bilden die Grundlage für die Ausgestaltung des Strafrechts.

    Bleistiftskizze der Straftheorien

    Die wichtigsten Straftheorien im Überblick

    Absolute Straftheorien

    Nach den absoluten Straftheorien wird gestraft, weil ein Verbrechen begangen wurde (punitur, quia peccatum est). Die Strafe dient der Vergeltung und der Wiederherstellung der Gerechtigkeit.

    Relative Straftheorien

    Nach den relativen Straftheorien wird gestraft, damit keine Verbrechen mehr begangen werden (punitur, ne peccetur). Die Strafe dient der Prävention:

    Generalprävention

    Abschreckung der Allgemeinheit (negative Generalprävention) und Stärkung des Rechtsbewusstseins (positive Generalprävention)

    Spezialprävention

    Abschreckung des Täters (negative Spezialprävention) und Resozialisierung (positive Spezialprävention)

    Vereinigungstheorie

    Die heute herrschende Vereinigungstheorie verbindet Elemente beider Ansätze. Die Strafe dient sowohl der gerechten Vergeltung als auch der Prävention, wobei die Schuld die Obergrenze der Strafe bildet.

    Vertiefen Sie Ihr Wissen

    Entdecken Sie unsere umfassenden Lernmaterialien zum Strafrecht und bereiten Sie sich optimal auf Ihre Prüfungen vor.

    Jetzt mehr erfahren

    Fazit: Die Bedeutung des Strafrechts

    Das Strafrecht ist ein zentraler Bestandteil unserer Rechtsordnung und erfüllt wichtige gesellschaftliche Funktionen. Es schützt grundlegende Rechtsgüter, setzt Grenzen für staatliches Handeln und trägt zur Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens bei.

    Bleistiftskizze der Bedeutung des Strafrechts für den Rechtsstaat

    Strafrecht als Garant des Rechtsfriedens

    Die Kenntnis strafrechtlicher Grundprinzipien ist nicht nur für Juristen, sondern für alle Bürger von Bedeutung. Das Strafrecht setzt Grenzen für das menschliche Zusammenleben und schafft gleichzeitig Freiräume, indem es klare Regeln definiert und deren Einhaltung sicherstellt.

    Die Entwicklung des Strafrechts ist nie abgeschlossen. Es muss sich stets neuen gesellschaftlichen Herausforderungen stellen und einen angemessenen Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit, zwischen Täter- und Opferinteressen finden. Nur so kann es seiner Aufgabe gerecht werden, den Rechtsfrieden in einer sich wandelnden Gesellschaft zu wahren.

    Strafrecht verstehen und anwenden

    Profitieren Sie von unseren praxisnahen Materialien und Fallbeispielen zum deutschen Strafrecht.

    Kostenlos registrieren