Das Schwerbehindertenrecht bildet einen wichtigen Bestandteil des deutschen Sozialsystems. Es soll Menschen mit Behinderungen dabei unterstützen, behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen und eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. In diesem Artikel erfahren Sie, welche Rechte und Ansprüche Menschen mit Schwerbehinderung haben, wie der Feststellungsprozess abläuft und welche Pflichten Arbeitgeber erfüllen müssen.

Ansprüche und Nachteilsausgleiche für schwerbehinderte Menschen

Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf verschiedene Nachteilsausgleiche, die ihnen helfen sollen, behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen. Diese Nachteilsausgleiche sind abhängig vom Grad der Behinderung und den festgestellten Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis.

Steuerliche Vergünstigungen

Je nach Grad der Behinderung können verschiedene Steuererleichterungen in Anspruch genommen werden:

  • Pauschbeträge in der Einkommensteuer
  • Ermäßigung der Kraftfahrzeugsteuer
  • Vergünstigungen bei der Umsatzsteuer

Mobilität und Verkehr

Im Bereich Mobilität gibt es folgende Nachteilsausgleiche:

  • Unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr („Freifahrt“)
  • Parkerleichterungen und Nutzung von Behindertenparkplätzen
  • Ermäßigungen bei der Kfz-Steuer
Schwerbehindertenausweis und Merkzeichen, die verschiedene Nachteilsausgleiche symbolisieren

Arbeitsleben

Im Berufsleben haben schwerbehinderte Menschen besondere Rechte:

  • Zusatzurlaub von 5 Arbeitstagen im Jahr
  • Besonderer Kündigungsschutz
  • Anspruch auf behinderungsgerechte Arbeitsplatzgestaltung
  • Freistellung von Mehrarbeit auf Verlangen

Weitere Nachteilsausgleiche

Zusätzlich können folgende Vergünstigungen in Anspruch genommen werden:

  • Ermäßigung oder Befreiung von Rundfunkbeiträgen
  • Ermäßigter Eintritt bei kulturellen Veranstaltungen
  • Wohnraumförderung und Wohngeld unter erleichterten Bedingungen
  • Förderung bei behinderungsgerechtem Umbau der Wohnung

Nachteilsausgleiche beantragen

Um Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen zu können, benötigen Sie einen Schwerbehindertenausweis. Informieren Sie sich über das Antragsverfahren bei Ihrem zuständigen Versorgungsamt.

Zuständiges Amt finden

Verfahren zur Feststellung der Schwerbehinderung

Um als schwerbehindert anerkannt zu werden und entsprechende Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen zu können, ist ein offizielles Feststellungsverfahren notwendig. Dieses wird auf Antrag durchgeführt.

Antragsprozess zur Feststellung einer Schwerbehinderung mit Formular und Unterlagen

Antragstellung

Der Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung wird beim zuständigen Versorgungsamt gestellt. Je nach Bundesland kann die zuständige Behörde unterschiedlich benannt sein (z.B. Landesamt für Gesundheit und Soziales oder Landesverwaltungsamt).

Für den Antrag werden in der Regel folgende Unterlagen benötigt:

  • Ausgefülltes Antragsformular
  • Ärztliche Befunde und Berichte
  • Entlassungsberichte aus Krankenhäusern
  • Rehabilitationsberichte

Feststellung des Grades der Behinderung (GdB)

Nach Eingang des Antrags prüft das Versorgungsamt die eingereichten Unterlagen. Bei Bedarf werden weitere medizinische Gutachten eingeholt. Der GdB wird anhand der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) festgelegt, die Anhaltspunkte für die Bewertung verschiedener Beeinträchtigungen enthält.

Merkzeichen

Neben dem GdB können im Schwerbehindertenausweis auch sogenannte Merkzeichen eingetragen werden, die besondere Beeinträchtigungen kennzeichnen und spezifische Nachteilsausgleiche ermöglichen:

  • G – erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit
  • aG – außergewöhnliche Gehbehinderung
  • H – hilflos
  • Bl – blind
  • Gl – gehörlos
  • B – Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson
  • RF – Befreiung von Rundfunkgebühren
  • TBl – taubblind
  • 1.Kl – Berechtigung zur Nutzung der 1. Klasse mit Fahrausweis 2. Klasse
Verschiedene Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis und ihre Bedeutung

Ausstellung des Schwerbehindertenausweises

Nach Abschluss des Feststellungsverfahrens wird bei einem GdB von mindestens 50 ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt. Dieser wird in der Regel für maximal 5 Jahre ausgestellt und kann verlängert werden. Bei Behinderungen, bei denen keine Änderung zu erwarten ist, kann der Ausweis auch unbefristet ausgestellt werden.

Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung stellen

Laden Sie hier das Antragsformular herunter oder informieren Sie sich über das Online-Antragsverfahren in Ihrem Bundesland.

Zum Antragsverfahren

Pflichten von Arbeitgebern im Schwerbehindertenrecht

Arbeitgeber haben im Rahmen des Schwerbehindertenrechts besondere Pflichten gegenüber schwerbehinderten Menschen. Diese sollen die berufliche Teilhabe fördern und Benachteiligungen am Arbeitsplatz verhindern.

Barrierefreier Arbeitsplatz mit ergonomischen Anpassungen für Menschen mit Behinderung

Beschäftigungspflicht

Private und öffentliche Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen sind verpflichtet, auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Erfüllen Arbeitgeber diese Quote nicht, müssen sie eine Ausgleichsabgabe zahlen.

Besonderer Kündigungsschutz

Für schwerbehinderte Arbeitnehmer gilt ein besonderer Kündigungsschutz. Vor einer Kündigung muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Dies gilt nach einer Beschäftigungszeit von mehr als sechs Monaten.

Gespräch zwischen Arbeitgeber und Schwerbehindertenvertretung über Arbeitsplatzgestaltung

Schwerbehindertenvertretung

In Betrieben mit mindestens fünf schwerbehinderten Beschäftigten ist eine Schwerbehindertenvertretung zu wählen. Diese vertritt die Interessen der schwerbehinderten Mitarbeiter und unterstützt sie bei der Eingliederung ins Arbeitsleben.

Barrierefreie Arbeitsplatzgestaltung

Arbeitgeber sind verpflichtet, Arbeitsplätze behinderungsgerecht einzurichten und auszustatten. Hierfür können sie finanzielle Unterstützung durch die Integrationsämter oder Rehabilitationsträger erhalten.

Informationen für Arbeitgeber

Als Arbeitgeber erhalten Sie hier umfassende Informationen zu Ihren Pflichten und möglichen Fördermitteln bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen.

Arbeitgeber-Leitfaden ansehen

Beratung und Unterstützung zum Schwerbehindertenrecht

Das Schwerbehindertenrecht ist komplex und umfasst viele verschiedene Aspekte. Für individuelle Fragen stehen verschiedene Beratungsstellen zur Verfügung:

Versorgungsämter

Zuständig für die Feststellung des GdB und die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises.

Integrationsämter

Beratung zu Fragen der beruflichen Teilhabe und Unterstützung am Arbeitsplatz.

Behindertenverbände

Bieten Beratung und Unterstützung bei der Durchsetzung von Rechten und Ansprüchen.

Beratungsgespräch zum Schwerbehindertenrecht mit Experten und Betroffenen

Das Schwerbehindertenrecht soll Menschen mit Behinderungen dabei unterstützen, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Die verschiedenen Nachteilsausgleiche und Schutzrechte tragen dazu bei, behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen und Barrieren abzubauen.

Persönliche Beratung zum Schwerbehindertenrecht

Für eine individuelle Beratung zu Ihren Rechten und Ansprüchen wenden Sie sich an eine der folgenden Beratungsstellen.

Beratungsstelle finden