Das Schwerbehindertenrecht bildet einen wichtigen Bestandteil des deutschen Sozialsystems. Es soll Menschen mit Behinderungen dabei unterstützen, behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen und eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. In diesem Artikel erfahren Sie, welche Rechte und Ansprüche Menschen mit Schwerbehinderung haben, wie der Feststellungsprozess abläuft und welche Pflichten Arbeitgeber erfüllen müssen.
Rechtsgrundlagen des Schwerbehindertenrechts
Das Schwerbehindertenrecht ist hauptsächlich im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) verankert. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX gelten Menschen als behindert, wenn ihre körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren länger als sechs Monate an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.
Als schwerbehindert gelten nach § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, bei denen ein Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50 festgestellt wurde. Der GdB wird in Zehnerschritten von 20 bis 100 angegeben und beschreibt den Umfang der Einschränkung.
Neben dem SGB IX spielen auch das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und die UN-Behindertenrechtskonvention eine wichtige Rolle. Diese Gesetze zielen darauf ab, Diskriminierung zu verhindern und Barrierefreiheit zu fördern.

Mehr zu den rechtlichen Grundlagen erfahren
Auf der offiziellen Seite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales finden Sie detaillierte Informationen zu allen rechtlichen Aspekten des Schwerbehindertenrechts.
Ansprüche und Nachteilsausgleiche für schwerbehinderte Menschen
Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf verschiedene Nachteilsausgleiche, die ihnen helfen sollen, behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen. Diese Nachteilsausgleiche sind abhängig vom Grad der Behinderung und den festgestellten Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis.
Steuerliche Vergünstigungen
Je nach Grad der Behinderung können verschiedene Steuererleichterungen in Anspruch genommen werden:
- Pauschbeträge in der Einkommensteuer
- Ermäßigung der Kraftfahrzeugsteuer
- Vergünstigungen bei der Umsatzsteuer
Mobilität und Verkehr
Im Bereich Mobilität gibt es folgende Nachteilsausgleiche:
- Unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr („Freifahrt“)
- Parkerleichterungen und Nutzung von Behindertenparkplätzen
- Ermäßigungen bei der Kfz-Steuer

Arbeitsleben
Im Berufsleben haben schwerbehinderte Menschen besondere Rechte:
- Zusatzurlaub von 5 Arbeitstagen im Jahr
- Besonderer Kündigungsschutz
- Anspruch auf behinderungsgerechte Arbeitsplatzgestaltung
- Freistellung von Mehrarbeit auf Verlangen
Weitere Nachteilsausgleiche
Zusätzlich können folgende Vergünstigungen in Anspruch genommen werden:
- Ermäßigung oder Befreiung von Rundfunkbeiträgen
- Ermäßigter Eintritt bei kulturellen Veranstaltungen
- Wohnraumförderung und Wohngeld unter erleichterten Bedingungen
- Förderung bei behinderungsgerechtem Umbau der Wohnung
Nachteilsausgleiche beantragen
Um Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen zu können, benötigen Sie einen Schwerbehindertenausweis. Informieren Sie sich über das Antragsverfahren bei Ihrem zuständigen Versorgungsamt.
Verfahren zur Feststellung der Schwerbehinderung
Um als schwerbehindert anerkannt zu werden und entsprechende Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen zu können, ist ein offizielles Feststellungsverfahren notwendig. Dieses wird auf Antrag durchgeführt.

Antragstellung
Der Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung wird beim zuständigen Versorgungsamt gestellt. Je nach Bundesland kann die zuständige Behörde unterschiedlich benannt sein (z.B. Landesamt für Gesundheit und Soziales oder Landesverwaltungsamt).
Für den Antrag werden in der Regel folgende Unterlagen benötigt:
- Ausgefülltes Antragsformular
- Ärztliche Befunde und Berichte
- Entlassungsberichte aus Krankenhäusern
- Rehabilitationsberichte
Feststellung des Grades der Behinderung (GdB)
Nach Eingang des Antrags prüft das Versorgungsamt die eingereichten Unterlagen. Bei Bedarf werden weitere medizinische Gutachten eingeholt. Der GdB wird anhand der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) festgelegt, die Anhaltspunkte für die Bewertung verschiedener Beeinträchtigungen enthält.
Merkzeichen
Neben dem GdB können im Schwerbehindertenausweis auch sogenannte Merkzeichen eingetragen werden, die besondere Beeinträchtigungen kennzeichnen und spezifische Nachteilsausgleiche ermöglichen:
- G – erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit
- aG – außergewöhnliche Gehbehinderung
- H – hilflos
- Bl – blind
- Gl – gehörlos
- B – Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson
- RF – Befreiung von Rundfunkgebühren
- TBl – taubblind
- 1.Kl – Berechtigung zur Nutzung der 1. Klasse mit Fahrausweis 2. Klasse

Ausstellung des Schwerbehindertenausweises
Nach Abschluss des Feststellungsverfahrens wird bei einem GdB von mindestens 50 ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt. Dieser wird in der Regel für maximal 5 Jahre ausgestellt und kann verlängert werden. Bei Behinderungen, bei denen keine Änderung zu erwarten ist, kann der Ausweis auch unbefristet ausgestellt werden.
Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung stellen
Laden Sie hier das Antragsformular herunter oder informieren Sie sich über das Online-Antragsverfahren in Ihrem Bundesland.
Pflichten von Arbeitgebern im Schwerbehindertenrecht
Arbeitgeber haben im Rahmen des Schwerbehindertenrechts besondere Pflichten gegenüber schwerbehinderten Menschen. Diese sollen die berufliche Teilhabe fördern und Benachteiligungen am Arbeitsplatz verhindern.

Beschäftigungspflicht
Private und öffentliche Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen sind verpflichtet, auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Erfüllen Arbeitgeber diese Quote nicht, müssen sie eine Ausgleichsabgabe zahlen.
Besonderer Kündigungsschutz
Für schwerbehinderte Arbeitnehmer gilt ein besonderer Kündigungsschutz. Vor einer Kündigung muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Dies gilt nach einer Beschäftigungszeit von mehr als sechs Monaten.

Schwerbehindertenvertretung
In Betrieben mit mindestens fünf schwerbehinderten Beschäftigten ist eine Schwerbehindertenvertretung zu wählen. Diese vertritt die Interessen der schwerbehinderten Mitarbeiter und unterstützt sie bei der Eingliederung ins Arbeitsleben.
Barrierefreie Arbeitsplatzgestaltung
Arbeitgeber sind verpflichtet, Arbeitsplätze behinderungsgerecht einzurichten und auszustatten. Hierfür können sie finanzielle Unterstützung durch die Integrationsämter oder Rehabilitationsträger erhalten.
Informationen für Arbeitgeber
Als Arbeitgeber erhalten Sie hier umfassende Informationen zu Ihren Pflichten und möglichen Fördermitteln bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen.
Beratung und Unterstützung zum Schwerbehindertenrecht
Das Schwerbehindertenrecht ist komplex und umfasst viele verschiedene Aspekte. Für individuelle Fragen stehen verschiedene Beratungsstellen zur Verfügung:
Versorgungsämter
Zuständig für die Feststellung des GdB und die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises.
Integrationsämter
Beratung zu Fragen der beruflichen Teilhabe und Unterstützung am Arbeitsplatz.
Behindertenverbände
Bieten Beratung und Unterstützung bei der Durchsetzung von Rechten und Ansprüchen.

Das Schwerbehindertenrecht soll Menschen mit Behinderungen dabei unterstützen, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Die verschiedenen Nachteilsausgleiche und Schutzrechte tragen dazu bei, behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen und Barrieren abzubauen.
Persönliche Beratung zum Schwerbehindertenrecht
Für eine individuelle Beratung zu Ihren Rechten und Ansprüchen wenden Sie sich an eine der folgenden Beratungsstellen.